Die Region Helmstedt war jahrzehntelang vom Braunkohleabbau geprägt. Der Braunkohlebergbau im Helmstedter Revier reicht zurück bis zum Jahre 1725, in dem der erste Braunkohlefund im damaligen Herzogtum Braunschweig gemacht wurde. Die Helmstedter Braunkohle ist mit 40 Millionen Jahren die älteste in Deutschland.
Die Braunschweigische Kohlen-Bergwerke AG (BKB) war ein ehemaliges Bergbau- und Energieerzeugnisunternehmen mit Sitz in der niedersächsischen Kreisstadt Helmstedt. Seit dem 31. März 2008 wird die Geschäftssparte der Abfallverbrennung unter der Firmierung E.ON Energy from Waste AG weitergeführt. Gleichzeitig wurde im Rahmen einer Umstrukturierung innerhalb des E.ON-Konzerns der Bergbau- und Kraftwerksbetrieb der BKB ausgegliedert und direkt der E.ON Kraftwerke GmbH zugeordnet.
Die BKB wurde am 26.01.1873 als Braunkohleförderungsunternehmen durch ein Berliner Bankenkonsortium in Helmstedt gegründet. Die Kohleförderung erfolgte ursprünglich sowohl im Tief- als auch im Tagebau-Verfahren in der Region zwischen Helmstedt und Staßfurt. Im Jahr 1888 begann die erste Stromerzeugung. In den Folgejahren wurden weitere Kraftwerke aufgekauft oder erbaut. Aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte die Kohleförderung seit 1925 nur noch durch den Abbau in den umliegenden Tagebauen. Ende der 1920er Jahre übernahmen die PreussenElektra und die Elektrowerke AG Berlin die Aktienmehrheit an der BKB AG.
Der Tagebau Wulfersdorf, die Wiege des Lappwaldsees
Dipl.-Ing. R.Orlowski In einem alten Sprichwort heißt es: „Nach tausend Jahren kehrt das Wasser wieder an seinen alten Ort zurück“. Das gilt, allerdings gemessen in Millionen Jahren, auch für den Lappwaldsee. Das Gebiet des heutigen Lappwaldsees war das letzte Mal vor ca. 23 Millionen Jahren, im Erdzeitalter des Oligozäns, vom Wasser einer flachen Meeresbucht bedeckt. Darin senkten sich langsam schmale, ausgedehnte Moore ab und ermöglichten die Entstehung von FLÖZEN aus Braunkohle. Am Ende des Paleozäns, vor ca. 252 Millionen Jahren hatte das Wasser des ausgedehnten Zechsteinmeeres schon einmal das Gebiet überdeckt. Jetzt, da die FLÖZE der oberen FLÖZ-gruppe abgebaut sind, kommt das Wasser im Lappwaldsee wieder, diesmal aber mit wesentlich geringerer Ausdehnung, in die Landschaft zurück. Der Tagebau Wulfersdorf und später auch der Tagebau Helmstedt, schuf im Laufe des 20-sten Jahrhunderts die Voraussetzung für dieses Comeback.
Ab 1909 gruben sich Bagger der Harbker Kohlenwerke AG durch die braunschweigische Landschaft und versorgten das Kraftwerk Harbke und die Brikettfabrik Bismarck mit Braunkohle. Die Weltwirtschaftskrise, die sich 1926 schon andeutete und von 1929 bis 1932 auch tatsächlich folgte, legte den Tagebau erst einmal still. 1933 erfolgte dann, aber mit wesentlich moderneren, leistungsfähigeren Anlagen und Geräten, der Neuaufschluss zu einem Großtagebau. Diesmal unter der Regie der Braunschweigischen Kohle Bergwerke AG, welche sich bei der Harbker Kohlenwerke AG 1915 eingekauft hatte.
Der Tagebau dehnte sich in den Folgejahren über die alte Ländergrenze zwischen Niedersachsen in Richtung Sachsen-Anhalt rasant aus. Jetzt hatte er auch noch zur Versorgung eines Schwelwerkes beizutragen. In diesem Zuge verschwand auch die Ortschaft Wulfersdorf von der Landkarte. Sie überließ der Grube mit ihren gefräßigen Baggern nur ihren Namen. Nach dem 2. Weltkrieg, im Jahre 1952, legte der Tagebau erneut, diesmal aber nur vorübergehend, eine Förderpause ein. Ein kapitalistisch geleiteter Betrieb war, unter sozialistischen Bedingungen versteht sich, so nicht fortzuführen. Harte Grenzen wurden gezogen und der weitere Kohleabbau auf der DDR Seite mit drei Baufeldern neu projektiert. Jetzt gruben sich die Geräte des geteilten Tagebaues, sowie neuen Geräten aus der DDR Produktion, durch das Gelände entlang der Grenze und setzten auf dem Gebiet der DDR auf 3,3 km Länge, 1,5 km Breite mit ca. 530 ha Fläche das fort was im Jahre 1909 begann.
Aus 26 umliegenden Gemeinden der Region waren beim neu gegründeten VEB Braunkohlenwerk Harbke durchschnittlich 1050 Bergleute beschäftigt. Sie förderten rd. 245 Mio. m³ Abraum und schafften ihn auf die Kippe, um an die anstehenden 66,6 Mio. Tonnen Braunkohle heran zu kommen. Nicht ganz nebenbei fielen auch noch etwa 180 Mio. m³ Wasser an, die aus der Grube zu heben waren und das Kraftwerk mit Kesselspeisewasser versorgten.
Als 1973 auch noch der Tagebau Helmstedt auf niedersächsischer Seite der Grenze aufgeschlossen wurde und nach seiner Stundung erst 1985 die Kohlengewinnung aufnahm, erstreckte sich das nunmehr hinterlassene, gemeinsame Restloch, bei etwa gleicher Breite, um weiter 1,8 km in die Länge und vergrößerte seine Fläche um weitere 220 ha.
Hauptsächlich wurde die gewonnen Kohlen zur Brikettierung und Stromerzeugung verwertet. Weitere 100 Arbeitskräfte in der Brikettfabrik und etwa 500 AK der Energieversorgung hatten dadurch mitsamt ihren Angehörigen 36 Jahre lang dauerhaft Lohn und Brot.
Die Brikettfabrik Völpke verarbeitete die gelieferte Kohle zu 12,7 Mio.t Briketts, 3,0 Mio.t Siebkohle und Brennstaub. Das Kraftwerk Harbke wurde von 1945 bis 1966 mit einer installierten Leistung von ca. 145 MW (1965 in der Spitze 156,6 MW) betrieben. Sie sank danach bis 1990 auf 50 MW ab. Das Kraftwerk trug bis zu seiner Stilllegung im Jahre 1990 mit 83 MWh pro Jahr zu Energieversorgung der DDR-Wirtschaft bei.
Auf einer Fläche von 419 ha kann sich das zurück kehrende Wasser nun im Restloch, zwischen den Höhe +37 NHN und +103,7 NHN mit 125 Mio. m³ wieder, ausbreiten zur Freude und zum Nutzen derer und ihrer Nachkommen, die seine Rückkehr erst möglich machten.
Im Jahr 1950 wurde mit 7000 Beschäftigten die höchste Mitarbeiterzahl der Unternehmensgeschichte erreicht.
Die Zukunft der Braunkohleförderung in der Region war jedoch endlich: Die wirtschaftlich erschließbaren Vorräte sind mittlerweile ausgekohlt und es endete eine über zwei Jahrhunderte bestehende Bergbautradition.
Leben mit der innerdeutschen Grenze
Eine Geschichte im Wandel im Helmstedter Revier kann jedoch nicht erzählt werden, ohne auf die endgültige Schließung der innerdeutschen Grenze einzugehen:
So ergab sich eine schwierige Situation für die BKB durch die direkte Lage ihrer Betriebe an der innerdeutschen Grenze nach dem Zweiten Weltkrieg. Dem Unternehmen gingen nach der endgültigen Grenzschließung am 26. Mai 1952 sowohl Abraumflächen als auch das Kraftwerk Harbke verloren, da diese auf dem Gebiet der DDR lagen und zum Volkseigentum erklärt wurden. In den Folgejahren mussten diese Defizite durch eigene Kraftwerksbauten auf westdeutscher Seite ersetzt werden. Bereits im Jahr 1954 konnte der erste Block des Kraftwerkes Offleben in Betrieb genommen werden
Für die BKB begann das Leben mit der Grenze. Die Beziehungen zwischen Nachbarstaat und Unternehmen lagen seit der Grenzöffnung auf Eis. Von der unternehmerischen Seite ließ die BKB kaum eine Gelegenheit aus, der DDR zu zeigen, was man von diesem Regime hielt. Sämtliche Versorgungsleitungen in Richtung Osten wurden gekappt. Die DDR wurde auf Herausgabe des Eigentums vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Man verschickte regelmäßig Essenspakete an Bewohner der Grenzgemeinden, die allerdings gleich an der Grenze beschlagnahmt wurden, oder man ließ zur Weihnachtszeit ganze Galerien von Weihnachtsbäumen entlang der Grenze und vom Dach der Kraftwerke gegen Osten leuchten.
Der Tagebau Helmstedt – gemeinsame Nutzung von West und Ost
Doch gemeinsame wirtschaftliche Interessen ließen das Eis schmelzen. Erste Kontakte zur DDR gab es im Rahmen des Interzonenabkommens. So vertrieb die BKB Trockenkohle und Briketts zu Zeiten des Brennstoffmangels aus dem Mitteldeutschen Revier und setzte auch Schwelteer aus der DDR in der Bundesrepublik ab.
Im Zuge der deutsch-deutschen Entspannungspolitik einigten sich beide deutschen Staaten im Mai 1976 auf einen gemeinsamen Abbau der im Grenzverlauf liegenden Kohleflöze in den seit 1971 betriebenen Tagebau Helmstedt. Der aufgeschlossene Tagebau Helmstedt schrieb damit deutsche Geschichte. In der Folge standen die Schaufelradbagger der BKB und der DDR jeweils auf fremdem Staatsgebiet. Beim „Bergbau durch den Zaun“ wurde der Verlauf der Grenze über die Jahre dem Abbaufortschritt angepasst.
Der Tagebau Helmstedt und der durch die DDR noch bis 1989 weiter betriebene Tagebau Wulfersdorf wurden zunehmend zur heute vorliegenden topographischen Einheit.
Verschwundener Ort Wulfersdorf
Im Helmstedter Revier sind im Laufe des Braunkohleabbaus die Ortschaften Büddenstedt, Alversdorf, Runstedt, Wulfersdorf und ein Stadtteil von Schöningen überbaggert worden. Für den Tagebau Wulfersdorf wurde das gleichnamige Dorf um 1944 abgebrochen.
Gestern innerdeutsche Grenze – Heute Seenlandschaft
Helmstedt ist ein geschichtsträchtiger Ort. An zahlreichen Stellen in und um Helmstedt wird Geschichte erlebbar, so auch am Lappwaldsee. Dort hat die Stadt Helmstedt in Kooperation mit dem Verein Grenzenlos, der Braunschweigischen Sparkassenstiftung und der Helmstedter Revier GmbH eine Informations-Stele installiert.
Der Lappwaldsee ist ein außergewöhnlicher Ort mit einer interessanten Geschichte. Als im Jahr 1952 der Tagebau durch Einheiten der DDR Volkspolizei geschlossen wurde, müssen sich dramatischen Szenen während der Frühschicht im Tagebaugelände abgespielt haben. Jede Seite versuchte möglichst viele Geräte und Material auf seine Seite zu bekommen. Nicht nur der finanzielle Verlust war für die Braunschweigischen Kohlenbergwerke als Betreiber enorm, auch die Arbeitskräfte, die nicht mehr in den Westen durften, fehlten ihnen.
Als 1976 ein Vertrag zwischen der ehemaligen DDR und dem Kohlebergwerk zustande kam, war dies ebenfalls ein geschichtsträchtiger Moment. Zum ersten Mal in der Geschichte der DDR wurde ein Vertrag mit einem westdeutschen Unternehmen geschlossen. Dieser Vertrag war ein Wegbereiter und hatte Symbolcharakter.
Heute lässt der Lappwaldsee nicht mehr erahnen, was sich früher dort abgespielt hat. Die Informations-Stele hat die Geschichte am Lappwaldsee konserviert und erfahrbar gemacht.